Olaf Scholz: „Mindestlohnentscheidung nicht auf sich beruhen lassen“

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte auf dem Gewerkschaftstag der NGG, die anstehende Erhöhung des Mindestlohns sei aus seiner Sicht „nicht in Ordnung“. Bei der letzten Entscheidung der Mindestlohnkommission hatten die Arbeitgebervertreter sich über die Stimmen der Gewerkschaften hinweggesetzt und eine Erhöhung des Mindestlohns um gerade mal 41 Cent auf 12,41 Euro zum 1. Januar 2024 beschlossen. Die Gewerkschaften hatten diese Arbeitgeber-Entscheidung gegen ihr Votum stark kritisiert.

Olaf Scholz stellte sich in seiner Rede auf dem Gewerkschaftstag der NGG nun an die Seite der Gewerkschaften und bezeichnete die Entscheidung der Kommission als „Mehrheitsentscheidung gegen die Gewerkschaften“. Und weiter: „Das können wir nicht auf sich beruhen lassen.“

Der Bundeskanzler kündigte außerdem an, sich bei den öffentlichen Vergabegesetzen für Löhne einsetzen zu wollen, „die sich am Tarif orientieren.“ Er wolle eine Gesellschaft, in der „alle sicher seien können, dass sie ordentlich bezahlt werden.“ Scholz verwies auf Entlastungen seiner Bundesregierung wie zum Beispiel geringere Sozialversicherungsbeiträge für die unteren Einkommensgruppen oder die Erhöhung des Kindergeldes. Sie seien in Summe „die größten Einkommenserhöhungen der unteren Lohnbereiche in den vergangenen 20 Jahren.“

Olaf Scholz ist nach Willy Brandt und Gerhard Schröder der dritte Bundeskanzler, der auf einem Gewerkschaftstag der NGG gesprochen hat. Etwa zwei Dutzend jungeNGGler*innen hielten während seiner Rede schweigend Schilder hoch, auf denen sie ihn für seine Asylpolitik kritisierten. Statt „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben" forderte die jungeNGG auf ihren Schildern, im großen Stil den Klimawandel zu bekämpfen oder im großen Stil Gleichberechtigung zu schaffen. Scholz ging in seiner Rede auf die Plakataktion ein und bezeichnete die jüngst beschlossenen Pläne der Ampelkoalition als „modernstes Einwanderungsgesetz der Welt“. Die Bundesregierung stelle das Grundrecht auf Asyl „nicht in Frage“.

"Eine Säule der Demokratie"

Der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler eröffnet den 18. Ordentlichen Gewerkschaftstag

„Unsere Gesellschaft ist verunsichert, wie viele Jahrzehnte lang nicht. Das ist gefährlich. Denn Demokratien brauchen Stabilität. Deswegen ist es gut, dass wir unsere Ziele formulieren – und umsetzen. Um mit unserer Durchsetzungskraft unseren Beitrag zur Stärkung der Demokratie zu leisten. Denn die Bewahrung der Demokratie ist eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür, dass wir gemeinsam die großen Aufgaben und Herausforderungen bewältigen.“ Mit diesen Worten hat der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler heute den 18. Gewerkschaftstag der NGG in Bremen eröffnet.

Vor rund 500 Delegierten und Gästen aus Wirtschaft, Verbänden und Politik erklärte er, dass zur Bewahrung einer wehrhaften Demokratie auch „klare Kante gegen Rechts“, gegen Rassismus und Antisemitismus gehöre. Genauso wie soziale und ökonomische Gerechtigkeit, ein funktionierender Sozialstaat und Umverteilung. Gemeinsam gelte es Antworten zu finden, um den demografischen Wandel zu bewältigen, attraktive Arbeitsplätze zur Überwindung des strukturellen Personalmangels zu schaffen und vor allem das Ernährungs- wie auch das Gastgewerbe zukunftsfähig zu machen: für Klimaneutralität und veränderte Essgewohnheiten. Weitere Herausforderungen seien künstliche Intelligenz, demografischer Wandel, Arbeits- und Fachkräftemangel und sozialökologische Transformation.

Höherer Mindestlohn und mehr Tarifbindung!

Auch Björn Fecker, Bremer Bürgermeister und Finanzsenator, bezeichnete in seinem Grußwort starke Gewerkschaften als „eine Säule der Demokratie“. Die NGG lobte er dafür, dass sie 2015 maßgeblich an der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns beteiligt gewesen sei. Die letzte Erhöhung des Mindestlohns von 41 Cent sei allerdings nicht zufriedenstellend: „Da hat die Arbeitgeberseite sich durchgesetzt. Das hätte mehr sein müssen. Das ist kein Lohn, von dem man gut leben kann.“ Bremen gehe da mit seinem Landesmindestlohn einen besseren Weg. Die Formel für mehr soziale Gerechtigkeit müsse ein höherer Mindestlohn und mehr Tarifbindung sein.

Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi sprach sich in Bremen ebenfalls gegen Tarifflucht aus: „80 Prozent Tarifbindung ist das Ziel, das die EU vorgibt. Wir brauchen einen umfassenden Aktionsplan für mehr Tarifbindung in unserem Land. Alles andere ist Betrug an dem einzelnen Beschäftigten und an dieser Gesellschaft." Und die „mickrigen 41 Cent Mindestlohnerhöhung“ seien „ein Affront gegen Mindestlohnempfänger*innen und eine Kampfansage an den sozialen Frieden in unserem Land. Der Mindestlohn muss zum Leben reichen und für eine sichere Rente!“

Jetzt geht's los!

„Gemeinsam Zukunft machen.jetzt“ - unter diesem Motto findet vom 13. bis 17. November der 18. ordentliche Gewerkschaftstag der NGG statt. Alle fünf Jahre findet dieses "Fest der Demokratie" statt. Gemeinsam wird diskutiert, beraten, entschieden und gefeiert.

Das Motto des 18. Gewerkschaftstages "Gemeinsam Zukunft machen.jetzt" ist also auch ein Auftrag an die 147 Delegierten: Sie werden in Bremen stellvertretend für die knapp 200.000 NGG-Mitglieder entscheiden, welche politischen und personellen Weichen gestellt werden. Dafür beraten sie über 113 Anträge und wählen den neuen Geschäftsführenden Hauptvorstand der NGG.

Viel erreicht

Gemeinsam wurde viel erreicht: Ob in der Süßwarenindustrie, wo die Beschäftigten in diesem Jahr eine noch nie dagewesene Lohnerhöhung erkämpft haben. Oder bei Teigwaren Riesa, wo die Beschäftigten gemeinsam für ihre Rechte eingetreten sind und  in der Fleischindustrie, wo es gelungen ist, das System der Werkverträge abzuschaffen.

Viel zu tun

Aber es gibt noch viel zu tun. Deshalb werden die Delegierten auf dem Gewerkschaftstag Anträge aus vielen Bereichen beraten. Von der Ausbildung bis zur Rente, von den Arbeitsbedingungen bis zum Antifaschismus, von der Gleichstellung bis zum ökologischen Umbau der Industrie. Nicht fehlen dürfen auf dem NGG-Gewerkschaftstag auch Gäste aus Gesellschaft und Politik. Als Gäste kann die NGG Bundeskanzler Olaf Scholz, die DGB-Bundesvorsitzende Yasmin Fahimi, die Bremer Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte und Björn Fecker, so wie viele weitere Gäste begrüßen.

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